Zurechnung von Zinsen bei deutscher Muttergesellschaft nach
Zinsverzicht gegenüber ausländischer Tochtergesellschaft8. October 2020
Verzichtet eine deutsche Muttergesellschaft auf Darlehenszinsen
gegenüber ihrer ausländischen Tochtergesellschaft, können die entgangenen
Zinseinnahmen dem Einkommen der Muttergesellschaft hinzugerechnet werden. Bei
einer Hinzurechnung nach Grundsätzen des Außensteuerrechts hat die
Muttergesellschaft innerhalb der EU aber die Möglichkeit, die Hinzurechnung
dadurch zu vermeiden, dass sie wirtschaftliche Gründe für den Verzicht
erbringt.
Hintergrund: Der Gesetzgeber
will Gewinnverschiebungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften vermeiden,
erst recht, wenn der Gewinn in das – ggf. niedrig besteuerte –
Ausland verschoben wird. Werden Einkünfte eines Unternehmers aus einer
Geschäftsbeziehung mit einer nahestehenden Person bzw. Gesellschaft dadurch
gemindert, dass er fremdunübliche Bedingungen vereinbart, sind die Einkünfte
des Unternehmers daher in der Höhe anzusetzen, in der sie bei einer
fremdüblichen Vereinbarung angefallen wären.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine deutsche GmbH, die u.a. Alleingesellschafterin der C-Gesellschaft in
Tschechien war. Die Klägerin gewährte der C-Gesellschaft am 1.1.2003 ein
verzinsliches Darlehen zu einem Zinssatz von 6,3 % p.a. für zehn Jahre. Am
18.9.2003 vereinbarte die Klägerin mit der C-Gesellschaft eine rückwirkende
Zinsbefreiung ab dem 1.1.2003. Das Finanzamt rechnete der Klägerin in den
Veranlagungszeiträumen 2003 und 2004 jeweils 6,3 % Zinsen nach den Grundsätzen
des Außensteuerrechts hinzu.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück, damit
dieses prüft, ob es ab dem 1.5.2004, dem Tag des Beitritts Tschechiens zur EU,
wirtschaftliche Gründe für eine Zinsbefreiung gab:
-
Grundsätzlich war eine Hinzurechnung der Zinsen, auf die die
Klägerin verzichtet hatte, möglich. Denn die Darlehensgewährung stellte eine
Geschäftsbeziehung im Sinne des Außensteuerrechts dar. Zu den
Geschäftsbeziehungen gehört jede schuldrechtliche Beziehung wie z.B.
Darlehensgewährungen, auch wenn sie nicht betrieblich, sondern
gesellschaftsrechtlich veranlasst ist. -
Die rückwirkende Zinsbefreiung war auch nicht fremdüblich.
Fremdüblich war vielmehr der ursprünglich vereinbarte Zinssatz von 6,3 %. -
Zwar war daher an sich eine Erhöhung des Einkommens der
Klägerin um die Zinsen in Höhe von 6,3 % nach außensteuerrechtlichen
Grundsätzen möglich. Jedoch kann eine solche Einkommenserhöhung gegen den
europarechtlichen Grundsatz der Niederlassungsfreiheit verstoßen; dieser
Grundsatz gilt bei Geschäftsbeziehungen mit tschechischen Geschäftspartnern
seit dem 1.5.2004, weil Tschechien am 1.5.2004 der EU beigetreten ist. Um den
Grundsatz der Niederlassungsfreiheit zu wahren, muss die Klägerin die
Möglichkeit haben, wirtschaftliche Gründe für den Zinsverzicht für den Zeitraum
ab dem 1.5.2004 anzuführen. Diese Prüfung obliegt dem FG.
Hinweise: Wirtschaftliche Gründe
können z.B. eine gewisse Finanzierungsverantwortung der Klägerin für ihre
tschechische Tochtergesellschaft sein oder aber eine Teilhabe der Klägerin am
wirtschaftlichen Erfolg der C-Gesellschaft über Gewinnausschüttungen.
Zwar betrifft der Grundsatz der Niederlassungsfreiheit nicht das
Streitjahr 2003, weil im Jahr 2003 Tschechien noch nicht der EU beigetreten
war. Das FG muss aber bezüglich des Jahres 2003 ebenfalls noch den Sachverhalt
ermitteln und insbesondere prüfen, ob die bis zum 18.9.2003 entstandenen
Zinsforderungen werthaltig waren. Hiervon hängt es ab, ob die Klägerin eine
sog. verdeckte Einlage in die C-Gesellschaft leisten konnte.
BFH, Urteil vom 27.11.2019 – I R 40/19 (I R 14/16);
NWB