Nachträgliche Betriebsausgaben nach Betriebsübertragung19. September 2024
Unterlässt ein Betriebsinhaber die gewinnmindernde Passivierung von
Verpflichtungen und erfüllt er die Verpflichtungen, nachdem die Bescheide für
die Zeit seiner Betriebsinhaberschaft bestandskräftig geworden sind und er
seinen Betrieb übertragen hat, kann er die Zahlungen im Zeitpunkt der Zahlung
steuerlich absetzen, und zwar als sog. nachträgliche Betriebsausgaben.
Hintergrund: Mitunter fallen
Betriebseinnahmen oder Betriebsausgaben erst nach der Beendigung der Tätigkeit
an. Der Gesetzgeber hat für diesen Fall geregelt, dass nachträgliche
Betriebseinnahmen und nachträgliche Betriebsausgaben noch nachträglich
berücksichtigt werden.
Ist eine Bilanz fehlerhaft, kann sie korrigiert werden, wenn die
entsprechende Steuerfestsetzung, die auf der fehlerhaften Bilanz beruht, noch
geändert werden kann. Ist dies nicht der Fall, kann der Fehler in der ersten,
verfahrensrechtlich noch offenen Bilanz eines Folgejahres korrigiert werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war
vom 1.5.2000 bis 30.9.2004 Inhaberin eines Betriebs. Sie führte keine Beiträge
an die Urlaubskasse ab. Das Arbeitsgericht verurteilte die Klägerin in mehreren
Verfahren in den Jahren 2003, 2005, 2007 und 2009 zur Beitragsabführung. Die
Klägerin passivierte in ihren Bilanzen der Jahre 2000 bis 2004 aber keine
Verpflichtungen zur Beitragsabführung. Die Steuerbescheide für die Jahre 2000
bis 2004 wurden bestandskräftig. Am 1.10.2004 übertrug die Klägerin ihren
Betrieb unentgeltlich auf ihren Vater V, der sich verpflichtete, sämtliche
Rechte und Pflichten zu übernehmen. In der Folgezeit entrichtete V einen Teil
der Beiträge. Den Rest der Beiträge zahlte die Klägerin in den Jahren 2014 bis
2016, und zwar ca. 6.000 € im Jahr 2014 und jeweils 12.000 € in
den Jahren 2015 und 2016. Die Klägerin machte diese Zahlungen als nachträgliche
Betriebsausgaben in den Streitjahren 2014 bis 2016 geltend, die das Finanzamt
nicht anerkannte.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
-
Die Beiträge zur Urlaubskasse waren betrieblich veranlasst und
sind daher als Betriebsausgaben abziehbar. -
Zwar hätte die Klägerin die Verpflichtungen zur Entrichtung
der Beiträge an sich in den Bilanzen der Jahre 2000 bis 2004 (Bilanzstichtag
30.9.2004) als Rückstellung bzw. Verbindlichkeit passivieren müssen. Dieser
Verpflichtung ist die Klägerin jedoch nicht nachgekommen und kann die Bilanzen
aufgrund der Bestandskraft der Bescheide für die Jahre 2000 bis 2004 auch nicht
mehr korrigieren. Eine Nachholung der Passivierung in einer Folgebilanz der
Jahre 2005 oder später scheidet ebenfalls aus, weil die Klägerin aufgrund der
Betriebsübertragung zum 1.10.2004 ab 2005 keine Bilanzen mehr aufstellen
musste. -
Der somit auf Seiten der Klägerin nicht mehr korrigierbare
Bilanzierungsfehler führt aber nicht dazu, dass die Klägerin die
Betriebsausgaben nicht mehr geltend machen kann. Die Klägerin blieb trotz der
Betriebsübertragung Schuldnerin der Beiträge, so dass die
Beitragsverbindlichkeiten gegenüber der Urlaubskasse zum sog.
Restbetriebsvermögen der Klägerin gehörten, das nach der Betriebsübertragung
bei ihr verblieb. Da nach dem Gesetz nachträgliche Betriebsausgaben steuerlich
geltend gemacht werden können, wenn sie bezahlt werden, war ein
Betriebsausgabenabzug in den Jahren 2014 bis 2016 möglich.
Hinweis: Der steuerliche Abzug
bei der Klägerin ist unabhängig von der steuerlichen Behandlung des
Sachverhalts durch V zu beurteilen. V hatte den Betrieb unentgeltlich erhalten
und konnte daher in der nächsten, verfahrensrechtlich noch offenen Bilanz eine
Verpflichtung gewinnmindernd passivieren. Zwar war er nicht Schuldner der
Beiträge, aber er hatte sich im Innenverhältnis zur Klägerin verpflichtet, die
Rechte und Pflichten zu übernehmen, und musste daher die Klägerin freistellen.
Sollte V noch Zahlungen an die Klägerin leisten, würden diese
Zahlungen bei der Klägerin ebenfalls nachträglich berücksichtigt werden und
ihren Betriebsausgabenabzug mindern.
Quelle: BFH, Urteil vom 6.5.2024 – III R 7/22; NWB