Kein Abzug von Betriebsausgaben für Erststudium trotz Zusammenhangs
mit späterer Erwerbstätigkeit23. November 2020
Aufgrund des gesetzlichen Abzugsverbots von Betriebsausgaben dürfen
Kosten für ein Erststudium auch dann nicht abgezogen werden, wenn der Student
bereits unternehmerisch tätig ist und das Studium diese Tätigkeit fördern soll.
Bei einem Erststudium besteht nämlich immer auch ein Zusammenhang zur privaten
Lebensführung.
Hintergrund: Aufwendungen für
eine Berufsausbildung oder für ein Erststudium waren nach früherer
Rechtsprechung grundsätzlich nur als Sonderausgaben abziehbar. Im Jahr 2011
änderte der Bundesfinanzhof (BFH) aber seine Rechtsprechung zugunsten der
Steuerpflichtigen und erkannte die Aufwendungen nunmehr als Werbungskosten bzw.
Betriebsausgaben an. Daraufhin führte der Gesetzgeber noch im Jahr 2011 ein
Abzugsverbot für Kosten einer Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums ein, das
rückwirkend seit dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten sollte.
Sachverhalt: Die Klägerin
besuchte zunächst in Weißrussland eine Kunstschule und studierte auch in
Weißrussland, schloss aber weder die Kunstschule noch das Studium ab. Sie zog
2004 nach Deutschland und begann hier ein Studium der Slawistik und
Kunstpädagogik, das sie 2010 abschloss. Schon in Weißrussland hatte die
Klägerin als selbständige Künstlerin und Buchillustratorin gearbeitet und
setzte diese Tätigkeit in Deutschland fort. Im Veranlagungszeitraum 2004 machte
sie die Kosten für ihr Studium in Deutschland i.H. von ca. 9.000 € als
Betriebsausgaben im Rahmen ihrer künstlerischen Tätigkeit geltend. Das
Finanzamt berücksichtigte lediglich 4.000 € als Sonderausgaben.
Hiergegen klagte die Klägerin und ging schließlich zum BFH. Während des
Revisionsverfahrens im Jahr 2011 trat das gesetzliche Abzugsverbot für
Studienkosten als Betriebsausgaben rückwirkend ab 2004 in Kraft.
Entscheidung: Der BFH wies die
Klage ab:
-
Der Betriebsausgabenabzug ist wegen des 2011 verabschiedeten
gesetzlichen Abzugsverbots für Kosten eines Erststudiums nicht möglich. Bei dem
im Jahr 2004 in Deutschland begonnenen Studium der Slawistik und Kunstpädagogik
handelte es sich um ein Erststudium und nicht um ein Zweitstudium. Denn die
Klägerin hatte ihr vorheriges Studium in Weißrussland nicht beendet. -
Das gesetzliche Abzugsverbot für die Kosten eines Erststudiums
gilt auch dann, wenn das Studium eine bereits ausgeübte Tätigkeit fördern soll.
Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass ein Erststudium auch der
Persönlichkeitsentwicklung dient und damit stets auch privat veranlasst ist. -
Zwar ist das gesetzliche Abzugsverbot erst im Jahr 2011
verabschiedet worden; es sollte aber rückwirkend ab 2004 gelten und ist damit
im Streitjahr 2004 anwendbar. Diese Rückwirkung ist verfassungsgemäß, weil die
Steuerpflichtigen im Jahr 2004 und in den Folgejahren kein schutzwürdiges
Vertrauen haben konnten, dass Aufwendungen für ein Erststudium als
Betriebsausgaben abziehbar sein könnten. Dieses Vertrauen hätte allenfalls im
Jahr 2011 entstehen können, als der BFH seine Rechtsprechung zugunsten der
Steuerpflichtigen änderte; hierauf hat der Gesetzgeber mit dem Abzugsverbot
aber sogleich reagiert.
Hinweis: Der BFH durfte das
gesetzliche Abzugsverbot anwenden, obwohl es erst im Revisionsverfahren in
Kraft getreten ist.
Abziehbar bleiben die Kosten für ein Zweitstudium. Dies wäre
hinsichtlich des Studiums in Deutschland der Fall gewesen, wenn die Klägerin
ihr Studium in Weißrussland mit einer Abschlussprüfung beendet hätte.
Der Abzug als Sonderausgaben hat den Nachteil, dass Sonderausgaben
nur in dem Jahr abgezogen werden können, in dem sie bezahlt worden sind. Ein
Verlustvortrag oder -rücktrag ist also nicht möglich.
BFH, Urteil v. 16.6.2020 – VIII R 4/20 (VIII R 49/11);
NWB