Grunderwerbsteuerfreiheit bei Übergang eines Grundstücks von der
Personengesellschaft auf Alleingesellschafter und Missbrauchsbekämpfung22. December 2020
Zwar setzt die Grunderwerbsteuerbefreiung, die für den Übergang
eines Grundstücks von einer Personengesellschaft auf den Gesellschafter im
Umfang seiner Beteiligungsquote gewährt wird, voraus, dass der Gesellschafter
in den letzten fünf Jahren beteiligt war. Diese Voraussetzung ist aber nicht zu
erfüllen, wenn bereits der Betritt des Gesellschafters zur Personengesellschaft
grunderwerbsteuerbar war. Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Finanzamt
anlässlich des Beitritts des Gesellschafters tatsächlich Grunderwerbsteuer
festgesetzt hat und ob diese bezahlt worden ist.
Hintergrund: Die
Grunderwerbsteuer entsteht u.a., wenn die Anteile an einer grundbesitzenden
Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren zu mindestens 95 % auf neue
Gesellschafter übertragen werden.
Wird ein Grundstück von einer Personengesellschaft auf den
Gesellschafter übertragen, ist diese Übertragung grunderwerbsteuerfrei, soweit
der Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt war. Voraussetzung für
die Grunderwerbsteuerfreiheit ist aber, dass der Gesellschafter seit mindestens
fünf Jahren beteiligt war.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine GmbH, die durch einen Insolvenzverwalter vertreten wurde. Die Klägerin
erwarb durch Vertrag vom 22.2.2010 sämtliche Kommanditanteile an der
grundbesitzenden A-GmbH & Co. KG sowie alle Gesellschaftsanteile an deren
Komplementärin, der A-GmbH. Der vollständige Anteilserwerb durch die Klägerin
war daher grunderwerbsteuerbar, weil mindestens 95 % der Anteile am
Gesellschaftsvermögen der A-GmbH & Co. KG, nämlich sogar 100 %,
ausgetauscht wurden. Am 30.9.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der A-GmbH & Co. KG eröffnet. Dies hatte nach dem
Gesellschaftsvertrag zur Folge, dass die A-GmbH ausschied, so dass das Vermögen
der A-GmbH & Co. KG und damit auch der Grundbesitz auf die Klägerin
anwuchs.
Das Finanzamt setzte nun zunächst am 24.9.2012 gegenüber der A-GmbH
& Co. KG Grunderwerbsteuer aufgrund des Anteilserwerbs der Klägerin vom
22.2.2010 fest. Die A-GmbH & Co. KG zahlte die Grunderwerbsteuer aber
nicht, weil die Grunderwerbsteuer nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden
war. Am 13.9.2013 setzte das Finanzamt Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin
aufgrund der Anwachsung vom 30.9.2010 fest. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
-
Zwar war die Anwachsung des Vermögens der A-GmbH & Co. KG
auf die Klägerin am 30.9.2010 grunderwerbsteuerbar, weil durch die Anwachsung
das Eigentum am Grundstück vom Vermögen der A-GmbH & Co. KG auf die
Klägerin übergangen ist. -
Dieser Eigentumsübergang war aber grunderwerbsteuerfrei, weil
die Klägerin zu 100 % am Vermögen der A-GmbH & Co. KG beteiligt war. Nach
dem Gesetz bleibt die Übertragung eines Grundstücks von der
Personengesellschaft auf den Gesellschafter im Umfang der Beteiligungsquote
steuerfrei; dies gilt nach dem Gesetz auch im Fall der Auflösung der
Personengesellschaft, wenn hierdurch das Grundstück in das Alleineigentum eines
Gesellschafters übergeht. -
Zwar setzt die Steuerbefreiung an sich voraus, dass die
Beteiligung des Gesellschafters nicht erst in den letzten fünf Jahren begründet
worden ist; die Klägerin ist erst am 22.2.2010 und damit ein gutes halbes Jahr
vorher Gesellschafterin geworden. Allerdings handelt es sich bei dieser
Voraussetzung um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift, die daher nicht
anzuwenden ist, wenn bereits der Beteiligungserwerb durch die Klägerin
grunderwerbsteuerbar war. Dies war beim Anteilserwerb am 22.2.2010 der Fall,
weil die Anteilsgrenze von 95 % erreicht und sogar überschritten worden ist.
Damit gab es keinen Grund, die Steuerbefreiung für den Grundstücksübergang auf
die Klägerin am 30.9.2010 zu versagen. Unerheblich ist, ob die
Grunderwerbsteuer für den Anteilserwerb am 22.2.2010 festgesetzt und bezahlt
worden ist.
Hinweise: Der BFH engt die
Ausnahme von der Steuerbefreiung nach ihrem Sinn und Zweck ein, d.h. zugunsten
der Steuerbefreiung. Der BFH stellt darauf ab, ob gestaltet wurde, d.h. ob die
Beteiligung des Gesellschafters innerhalb der letzten fünf Jahre steuerfrei
begründet wurde (also unterhalb der 95 %-Grenze), um nunmehr das Grundstück im
Umfang der Beteiligung steuerfrei zu erhalten. Im Streitfall war dies nicht zu
bejahen, da der Anteilserwerb der Klägerin am 22.2.2010 grunderwerbsteuerbar
war. Für die Steuerbefreiung des streitigen, zweiten Erwerbs vom 30.9.2010 ist
also auf die Grunderwerbsteuerbarkeit des ersten Erwerbs vom 30.9.2010
abzustellen. Unbeachtlich ist, dass die Erhebung der Grunderwerbsteuer für den
ersten Erwerb aus Sicht des Finanzamts nicht erfolgreich war.
Wäre der Anteilserwerb vom 22.2.2010 nicht steuerbar gewesen, weil
die Klägerin weniger als 95 % der Anteile erworben hätte, hätte die Klage
keinen Erfolg gehabt.
BFH, Urteil vom 25.8.2020 – II R 23/18; NWB