Erbschaftsteuer: Kein Wegfall des Verschonungsabschlags bei Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft7. December 2020
Der Verschonungsabschlag, mit dem Betriebsvermögen zu 85 % von der
Erbschaftsteuer befreit wird, entfällt für einen vererbten Anteil an einer KG
nicht bereits dann, wenn über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren
eröffnet wird. Der Verschonungsabschlag entfällt erst dann, wenn wesentliche
Teile des Betriebsvermögens durch den Insolvenzverwalter veräußert werden, der
gesamte Betrieb veräußert wird oder der Betrieb aufgegeben
wird.
Hintergrund: Betriebsvermögen
ist erbschaftsteuerlich begünstigt, weil der Erbe einen Verschonungsabschlag
(d.h. Steuerbefreiung) von 85 % erhält. Allerdings verlangt der Gesetzgeber
u.a., dass das vererbte Betriebsvermögen innerhalb von fünf Jahren (sog.
Behaltensfrist) nicht veräußert oder aufgegeben wird. Auch die Veräußerung oder
Entnahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb von fünf Jahren ist
schädlich; bei Kapitalgesellschaften ist die Auflösung der Kapitalgesellschaft
innerhalb der Behaltensfrist schädlich. Soweit die Behaltensfrist nicht
eingehalten wird, fällt der Verschonungsabschlag anteilig weg; bei einer
Veräußerung im 4. Jahr wird der Verschonungsabschlag also nur zu 3/5 gewährt.
Sachverhalt: Der Kläger erbte im
Juni 2010 von seinem Vater eine Beteiligung an einer GmbH & Co. KG, die zum
steuerlich begünstigten Betriebsvermögen gehörte und einen Wert von ca. 4,8
Mio. € hatte. Das Finanzamt gewährte den Verschonungsabschlag von
85 %, so dass nur 15 % steuerpflichtig waren. Am 1.6.2014 wurde über
das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Januar 2015 veräußerte
der Insolvenzverwalter wesentliche Teile des Betriebsvermögens. Das Finanzamt
machte den Verschonungsabschlag nun im Umfang von 2/5 rückgängig, weil es in
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im 4. Jahr eine schädliche Auflösung des
Betriebs sah, so dass die KG ihren Betrieb nur volle drei Jahre fortgeführt
hatte. Der Kläger ging hingegen davon aus, dass erst im 5. Jahr durch
Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch den Insolvenzverwalter
ein schädlicher Vorgang erfolgt sei, so dass der Verschonungsabschlag zu 4/5 zu
gewähren sei.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und gewährte den Verschonungsabschlag
zu 4/5:
-
Zwar führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Auflösung
einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Die Auflösung einer
Kapitalgesellschaft führt auch ausdrücklich zum anteiligen Wegfall des
Verschonungsabschlags. -
Für eine Personengesellschaft gibt es aber keine ausdrückliche
Regelung, dass bei ihrer Auflösung der Verschonungsabschlag anteilig wegfällt.
Der Gesetzgeber sieht zwar die Aufgabe des Betriebs durch die
Personengesellschaft als schädlich an. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
führt aber noch nicht zur Betriebsaufgabe, weil der Betrieb noch fortgeführt
werden kann und zunächst lediglich unwesentliche Betriebsgrundlagen veräußert
werden. -
Erst wenn der Insolvenzverwalter innerhalb der Behaltensfrist
den Betrieb der Personengesellschaft endgültig einstellt oder wesentliche
Betriebsgrundlagen veräußert, fällt der Verschonungsabschlag anteilig weg. Dies
folgt auch aus dem Zweck der Begünstigung, die Arbeitsplätze sichern will und
deshalb die Fortführung des Betriebs für mindestens fünf Jahre verlangt. Die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt aber nicht zwingend zur Einstellung des
Betriebs und damit zum Verlust der Arbeitsplätze. Denn ein Insolvenzverfahren
kann auch dazu dienen, das Unternehmen zu retten. -
Zwar geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die
Verfügungsbefugnis vom bisherigen Unternehmensinhaber bzw. Geschäftsführer auf
den Insolvenzverwalter über. Die Steuerbegünstigung setzt aber nicht voraus,
dass der Erbe verfügungsbefugt ist. Dies wird gerade bei geerbten Anteilen an
Personengesellschaften deutlich; denn die steuerliche Begünstigung wird nach
dem Gesetz auch dann gewährt, wenn der Erbe keinen Einfluss auf die
Geschäftsführung haben muss. -
Im Streitfall hat der Kläger am 2.6.2010 geerbt. Erst im
Januar 2015 wurden wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert. Zu diesem
Zeitpunkt war die fünfjährige Behaltensfrist noch nicht abgelaufen, sondern die
Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgte im 5. Jahr nach dem
Todesfall, so dass der Verschonungsabschlag zu 4/5 gewährt wird und in Höhe
eines Fünftels wegfällt.
Hinweis: Das Urteil betrifft
zwar die Rechtslage aufgrund der Erbschaftsteuerreform 2009, gilt aber ebenso
für die Rechtslage nach der Erbschaftsteuerreform 2016.
Eine Betriebsaufgabe oder Veräußerung ist erbschaftsteuerlich
schädlich, wenn sie innerhalb von fünf Jahren erfolgt. Auf die Gründe für die
Betriebsaufgabe oder Veräußerung kommt es nicht an, so dass auch eine
Betriebsveräußerung aufgrund gesetzlicher Anordnung oder eine insolvenzbedingte
Veräußerung oder Schließung zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags
führt. Dies würde auch gelten, wenn ein Betrieb innerhalb der Behaltensfrist
wegen der Corona-Krise geschlossen werden muss.
BFH, Urteile vom 1.7.2020 – II R 19/18 und II R 20/18;
NWB