29. March 2021
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält
daran fest, dass die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und
öffentliche Meinung kein gemeinnütziger Zweck ist. Die aktuelle Entscheidung
ist im II. Rechtsgang des Verfahrens des Vereins „attac“ ergangen.
Hintergrund: Die
selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder
sittlichem Gebiet wird steuerlich als gemeinnützig anerkannt, wenn dabei
bestimmte, vom Gesetzgeber einzeln genannte Bereiche gefördert werden. Hierzu
gehören z.B. die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens oder die
Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der
Studentenhilfe.
Streitfall: Der Kläger
ist der Trägerverein von „attac“, der nach seiner Satzung die Bildung,
Wissenschaft und Forschung fördert, insbesondere auch die Solidarität unter
besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen
Auswirkungen der Globalisierung. Außerdem fördert der Kläger die
Völkerverständigung und den Frieden. Der Kläger nahm in den Streitjahren 2010
bis 2012 zu zahlreichen politischen Themen Stellung und organisierte
Demonstrationen, besetzte symbolisch Banken und sammelte Unterschriften. Das
Finanzamt erkannte die Gemeinnützigkeit des Klägers nicht an. Der BFH entschied
im I. Rechtsgang zwar im Grundsatz zuungunsten von „attac“, verwies die Sache
aber an das Finanzgericht (FG) zurück, damit dieses klärt, ob der Kläger selbst
als Trägerverein oder ob das sog. attac-Netzwerk tätig geworden ist und ob ggf.
die Tätigkeiten des Netzwerks dem Kläger zuzurechnen sind.
Entscheidung: Der BFH hat
nun im II. Rechtsgang die Gemeinnützigkeit von „attac“ endgültig verneint:
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Die Einflussnahme auf die
politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein gemeinnütziger
Zweck. Ein Verein darf daher nicht zu allgemeinpolitischen Themen und Fragen
Stellung nehmen und politische Forderungen wie z.B. die Abschaffung von Hartz
IV, das Austrocknen von Steueroasen oder die Umverteilung von Vermögen fordern. -
Etwas anderes gilt nur dann,
wenn die Einflussnahme auf die politische Willensbildung im Zusammenhang mit
dem gemeinnützigen Zweck des Vereins steht, z.B. mit der Förderung des
Umweltschutzes. Aber auch in diesem Fall darf die Tagespolitik nicht im
Mittelpunkt der Tätigkeit des Vereins stehen, sondern muss im Hintergrund
gegenüber dem eigentlich gemeinnützigen Zweck bleiben. -
Zwar erkennt der Gesetzgeber
auch die Förderung der Volksbildung als gemeinnützig an. Hierbei geht es aber
um bildungspolitische Fragen. Außerdem muss sich die politische Bildung in
geistiger Offenheit vollziehen. -
Die politischen Aktionen in
den Streitjahren 2010 bis 2012 waren dem Kläger auch zuzurechnen. Denn „attac“
als Kläger hatte sich an den Aktionen finanziell beteiligt und hatte die
Aktionen auch in den Geschäftsberichten erwähnt. Der Kläger hat im
Finanzgerichtsverfahren zudem ausdrücklich betont, dass er die Kampagnen und
Aktionen inhaltlich zu verantworten hat.
Hinweise: Wer sich
allgemeinpolitisch betätigen will, sollte eine Partei gründen. Diese ist zwar
nicht gemeinnützig, aber steuerlich dennoch begünstigt, weil z.B. die Beiträge
zu einer steuerlichen Ermäßigung in Höhe von 50 % führen, maximal aber bis zu
825 € bzw. bei Ehegatten bis zu 1.650 €.
Unschädlich bleibt es auch
weiterhin, wenn sich ein Verein, der einen gemeinnützigen Zweck wie z.B. die
Förderung des Umweltschutzes verfolgt, in diesem Rahmen auch politisch
engagiert. Das politische Engagement muss allerdings im Hintergrund bleiben und
politisch neutral sein. Bei der Prüfung, ob dies der Fall ist, können die
Finanzbehörden und auch das FG die Internetseite des Vereins auswerten.
Im Streitfall hatte sich „attac“
mit der Veröffentlichung seines Namens einverstanden erklärt.
BFH, Beschluss vom 10.12.2020 – V R
14/20; NWB