Übernahme der Beiträge für eine Berufshaftpflichtversicherung einer
angestellten Rechtsanwältin durch den Arbeitgeber29. March 2021
Übernimmt eine Rechtsanwaltssozietät den Beitrag für eine
Berufshaftpflichtversicherung ihrer angestellten Rechtsanwältin, stellt dies
Arbeitslohn dar, soweit der Versicherungsbeitrag auf die
Mindestversicherungssumme entfällt, in der sich die Anwältin versichern muss.
Der darüber hinausgehende Beitrag ist kein Arbeitslohn, weil die höhere
Absicherung der Anwaltssozietät zugutekommt und daher durch ein überwiegend
eigenes betriebliches Interesse der Anwaltssozietät gedeckt ist.
Hintergrund: Zum
steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören neben dem Gehalt auch sonstige Vorteile,
die der Arbeitgeber für die Leistung des Arbeitnehmers gewährt.
Rechtsanwälte benötigen eine Berufshaftpflichtversicherung mit
einer Mindestdeckungssumme, damit sie beruflich tätig werden dürfen.
Streitfall: Die Klägerin war
eine Anwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts,
deren Angestellte die Rechtsanwältin R war. R hatte eine
Berufshaftpflichtversicherung auf eigenen Namen und eigene Rechnung mit einer
Versicherungssumme, die über dem Mindestdeckungsbetrag von 250.000 €
lag, abgeschlossen; hierfür fiel ein Versicherungsbeitrag von ca. 2.100
€ an, den die Klägerin übernahm. Das Finanzamt sah hierin Arbeitslohn
und erließ gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) sah in der Übernahme des Versicherungsbeitrags teilweise
Arbeitslohn, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das
Finanzgericht (FG) zurück:
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Die Übernahme des Versicherungsbeitrags führt zu Arbeitslohn,
soweit die Prämie auf die Mindestversicherungssumme i.H. von
250.000 € entfällt. Denn insoweit hat die R ein Interesse am
Bestehen der Berufshaftpflichtversicherung, weil sie ohne
Berufshaftpflichtversicherung nicht beruflich tätig werden darf bzw. ihre
Anwaltszulassung verlieren könnte. -
Soweit der Versicherungsbeitrag aber auf die über 250.000
€ hinausgehende Versicherungssumme entfällt, liegt kein Arbeitslohn vor.
Denn insoweit besteht ein überwiegend eigenes betriebliches Interesse der
Klägerin an der Berufshaftpflichtversicherung, weil sie für mögliche
Beratungsfehler der R haftet. Es liegt daher im Interesse der Klägerin, dass
sie bei Schäden, die über 250.000 € hinausgehen, abgesichert ist.
Unbeachtlich ist, dass es auch für die R vorteilhaft ist, wenn in diesem Umfang
eine Absicherung der Sozietät besteht; ein solcher Vorteil der R ist lediglich
ein Reflex des eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin und führt daher nicht
zu Arbeitslohn. -
Sollte die R jedoch ein sog. Scheinsozius gewesen sein, würde
sie den Mandanten nach Grundsätzen des Rechtsscheins persönlich haften. In
diesem Fall wäre der insgesamt übernommene Versicherungsbeitrag Arbeitslohn,
weil es im Interesse der R wäre, dass sie für Beratungsfehler nicht persönlich
einstehen muss. Das FG muss daher nun aufklären, ob die R ein Scheinsozius
war.
Hinweise: Die Klägerin hatte
auch noch die Beiträge der R zur Rechtsanwaltskammer und zum Deutschen
Anwaltverein sowie die Umlage für das sog. besondere elektronische
Anwaltspostfach („beA“) übernommen. Dies führte zu
steuerpflichtigem Arbeitslohn, weil die Mitgliedschaften in der
Rechtsanwaltskammer und beim Deutschen Anwaltverein sowie das elektronische
Anwaltspostfach im Interesse der R waren.
Der BFH hat am selben Tag noch über einen ähnlichen Fall
entschieden: In diesem Fall hatte eine Anwaltssozietät eine eigene
Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen, die auch die angestellten Anwälte
umfasste. Das Finanzamt sah hierin Arbeitslohn der angestellten Anwälte. Der
BFH verwies auch hier die Sache an das FG zur weiteren Aufklärung zurück, hielt
aber Arbeitslohn für möglich; denn mit dem Abschluss der
Berufshaftpflichtversicherung wurde die Haftpflichtversicherungspflicht der
angestellten Anwälte erfüllt, so dass sich die angestellten Anwälte eine eigene
Haftpflichtversicherung ersparten. Arbeitslohn würde dann nicht vorliegen,
falls die angestellten Anwälte eine eigene Berufshaftpflichtversicherung
abgeschlossen hätten und deshalb keine eigenen Aufwendungen ersparten.
In einer früheren Entscheidung hatte der BFH beim Abschluss einer
eigenen Berufshaftpflichtversicherung durch eine Anwaltssozietät Arbeitslohn
bei den angestellten Rechtsanwälten verneint, weil die Sozietät nur ihre eigene
Berufstätigkeit absicherte. Im aktuellen Urteil sieht der BFH den Unterschied
im Sachverhalt aber darin, dass im damaligen Fall die angestellten
Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit außerhalb der Sozietät eigene
Berufshaftpflichtversicherungen abgeschlossen hatten.
BFH, Urteile vom 1.10.2020 – VI R 11/18 (Übernahme der Beiträge der
Anwältin) und VI R 12/18 (Abschluss einer Sozietätsversicherung);
NWB