Rückwirkende Verschmelzung einer GmbH auf den
Alleingesellschafter29. March 2021
Wird eine GmbH auf ihren Alleingesellschafter mit Rückwirkung auf
einen Zeitpunkt verschmolzen, an dem noch ein anderer Gesellschafter beteiligt
war, der im Rückwirkungszeitraum jedoch verstorben ist, ist der Übernahmegewinn
nur dem Alleingesellschafter zuzurechnen. Eine anteilige Zurechnung des
Übernahmegewinns beim verstorbenen Gesellschafter scheidet aus, weil er
aufgrund seines Todes am Tag des Verschmelzungsbeschlusses nicht mehr an der
GmbH beteiligt ist.
Hintergrund: Das Vermögen einer
GmbH kann durch Verschmelzung auf ihren Alleingesellschafter übertragen werden.
Steuerlich und auch handelsrechtlich kann eine Verschmelzung unter bestimmten
Voraussetzungen rückwirkend erfolgen, und zwar nach der bis einschließlich 2019
geltenden Rechtslage acht Monate rückwirkend.
Streitfall: Der Kläger war
ursprünglich zu 48 % an einer GmbH beteiligt; die restlichen Anteile von 52 %
hielt sein Vater V. V verstarb am 15.9.2005. Der Kläger war nicht Erbe, erhielt
aber aufgrund eines Vermächtnisses die Anteile des V und war damit
Alleingesellschafter der GmbH. Erben des V wurden der B, der Bruder des
Klägers, und die Mutter des Klägers. Anfang 2006 wurde die GmbH auf den Kläger
rückwirkend zum 1.9.2005 verschmolzen, also auf einen Tag, an dem V noch lebte
und mit 52 % an der GmbH beteiligt war. Aufgrund der Verschmelzung entstand ein
Übernahmegewinn, den der Kläger nur zu 48 %, seiner Beteiligungsquote am
1.9.2005, versteuern wollte. Das Finanzamt setzte den Übernahmegewinn hingegen
in voller Höhe als gewerbliche Einkünfte des Klägers im Jahr 2005 an.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
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Zwar kann eine Verschmelzung steuerlich mit Rückwirkung
erfolgen. Diese Rückwirkung gilt aber nur für die beteiligten Rechtsträger, die
aufeinander verschmolzen werden, nicht jedoch für ausgeschiedene
Gesellschafter. -
Im Streitfall gilt die steuerliche Rückwirkung also nur für
die GmbH als übertragenden Rechtsträger und für den Kläger als übernehmenden
Rechtsträger, nicht aber für den V als früheren Gesellschafter, der am Tag des
Verschmelzungsbeschlusses nicht mehr an der GmbH beteiligt war. -
Der infolge der Verschmelzung entstandene Übernahmegewinn ist
allein dem Kläger zuzurechnen. Dies gilt nicht nur für den Übernahmegewinn,
soweit er auf die Beteiligung des Klägers in Höhe von 48 % entfällt, sondern
auch für den Teil des Übernahmegewinns, der bis zum 15.9.2005 (Todestag des V)
dem V zuzurechnen war.
Hinweise: Der BFH macht
deutlich, dass durch eine steuerliche Rückwirkung der Tod eines Gesellschafters
nicht „umgangen“ werden kann. Für einen ausgeschiedenen
Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers ergeben sich aus einer späteren
rückwirkenden Umwandlung keine steuerlichen Folgen. Dies ist auch richtig, weil
sie an dem Umwandlungsbeschluss nicht beteiligt sind und auf die Entstehung
eines Übernahmegewinns keinen Einfluss nehmen können.
Hätte der Kläger das Verfahren gewonnen, wären 52 % des
Übernahmegewinns dem verstorbenen V zugerechnet worden und hätten damit von
dessen Erben versteuert werden müssen, d.h. von B und der Mutter des Klägers.
Aufgrund der Corona-Krise ist der steuerliche Rückwirkungszeitraum
von acht auf zwölf Monate verlängert worden, wenn die Anmeldung zur Eintragung
im Handelsregister im Jahr 2020 oder 2021 erfolgt.
Bei der Verschmelzung einer GmbH auf eine natürliche Person
entsteht ein Übernahmegewinn in Höhe der Differenz des Wertansatzes der
Wirtschaftsgüter der GmbH und den Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung
sowie den Umwandlungskosten. Soweit die GmbH-Beteiligung zum Privatvermögen der
natürlichen Person gehörte, fingiert der Gesetzgeber, dass die GmbH-Beteiligung
in das Betriebsvermögen der natürlichen Person mit den Anschaffungskosten
eingelegt wird, so dass der Übernahmegewinn in seinem Betriebsvermögen
entsteht. Der Übernahmegewinn bzw. -verlust wird aber noch durch zahlreiche
Einzelheiten modifiziert; so wird u.a. eine Ausschüttung der durch
Verschmelzung untergehenden GmbH fingiert, die das Übernahmeergebnis
reduziert.
BFH, Urteil vom 8.9.2020 – X R 36/18; NWB