Kapitaleinkünfte bei Abspaltung einer US-amerikanischen
Kapitalgesellschaft17. January 2022
Ein sog. Spin-Off einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft, bei
dem ein Unternehmensteil auf eine andere US-amerikanische Kapitalgesellschaft
übertragen wird und hierfür Aktien gewährt werden, die den Aktionären zugeteilt
werden, führt bei einem deutschen Aktionär nicht zu steuerpflichtigen
Kapitaleinkünften, wenn der „Spin-Off“ mit einer Abspaltung nach
deutschem Recht vergleichbar ist. Dies gilt aufgrund des Grundsatzes der
Kapitalverkehrsfreiheit selbst dann, wenn die entsprechenden gesetzlichen
Steuerbefreiungen noch gar nicht in Kraft getreten sind.
Hintergrund: Zu den
Kapitaleinkünften gehören nicht nur Dividenden, sondern auch Sachausschüttungen
wie z.B. neu zugeteilte Aktien. Der Gesetzgeber behandelt aber seit dem
1.1.2013 die Zuweisung von Aktien im Rahmen einer inländischen Abspaltung nicht
als Kapitalertrag. Auch ein Aktientausch wird nicht besteuert.
Sachverhalt: Der in Deutschland
wohnhafte Kläger war Aktionär der Kraft Foods Inc. (K), einer US-amerikanischen
Kapitalgesellschaft. Die K übertrug am 2.10.2012 ihre Lebensmittelsparte für
die USA und Kanada auf die neu gegründete Foods Group Inc. (F), bei der es sich
ebenfalls um eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft handelte. Hierfür
erhielt die K Aktien an der F, die sie ihren Aktionären (d.h. den Aktionären
der K) und damit dem Kläger am 5.10.2012 im Verhältnis 3:1 zuteilte. Im Depot
des Klägers wurden die Aktien der F am 5.10.2012 eingebucht. Das Finanzamt sah
hierin eine steuerpflichtige Sachausschüttung und unterwarf sie in Höhe des
Börsenkurses der F der Abgeltungsteuer.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
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Die zugeteilten Aktien an der F stellen grundsätzlich
Kapitalerträge in Gestalt einer Sachausschüttung dar. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob die ausschüttende Gesellschaft eine inländische oder ausländische
Gesellschaft ist. -
Deutschland steht auch das Besteuerungsrecht an der
Sachausschüttung zu. Denn der Kläger war aufgrund seines Wohnsitzes in
Deutschland hier unbeschränkt steuerpflichtig. Nach dem
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der USA und Deutschland liegt das
Besteuerungsrecht für Dividenden, zu denen auch Sachausschüttungen gehören, bei
Deutschland. -
Die Zuteilung der Aktien ist auch keine steuerfreie
Einlagenrückgewähr. Zwar können auch Kapitalgesellschaften außerhalb der EU und
des EWR, d.h. aus sog. Drittstaaten, grundsätzlich steuerfrei Einlagen, die die
Gesellschafter bzw. Aktionäre eingezahlt haben, steuerfrei an die
Gesellschafter bzw. Aktionäre zurückgewähren. Auch wenn dies gesetzlich nicht
ausdrücklich zugelassen ist, folgt die Anerkennung einer steuerfreien
Einlagenrückgewähr aus der europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit, die die
Aktionäre und Gesellschafter in der EU schützt. Die K verfügte jedoch nicht
über Einlagen, sondern nur über Gewinne der Vorjahre; diese können nicht
steuerfrei ausgeschüttet werden. -
Die Zuteilung der Aktien an der F ist auch nicht deshalb
steuerfrei, weil sie im Rahmen einer Abspaltung erfolgt ist; denn diese
Regelung gilt erstmals für Abspaltungen, die nach dem 31.12.2012 erfolgt sind.
Im Streitfall ist die Abspaltung aber bereits im Oktober 2012 vollzogen worden. -
Jedoch kann sich der Kläger bis zum 31.12.2012 auf die
Steuerbefreiung für den Anteilstausch berufen, solange die Steuerbefreiung für
Abspaltungen noch nicht in Kraft getreten ist. Die Anwendung dieser
Steuerbefreiung für den Anteilstausch ist nämlich aufgrund der
europarechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit geboten; anderenfalls wären deutsche
Aktionäre einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft schlechter gestellt als
deutsche Aktionäre einer deutschen oder in der EU bzw. im EWR ansässigen
Kapitalgesellschaft.
Hinweise: Der BFH hat bereits vor kurzem in einem ähnlichen Fall,
der einen sog. Spin-Off bei Hewlett-Packard betraf, die Steuerfreiheit für
einen deutschen Aktionär bejaht. Das aktuelle Urteil setzt diese Tendenz fort.
Im Ergebnis sind damit Aktienzuweisungen aufgrund einer Abspaltung
in einem sog. Drittstaat außerhalb der EU bzw. des EWR steuerfrei, auch wenn es
keine gesetzlichen Regelungen hierzu gibt; denn im Zweifel ist die
Kapitalverkehrsfreiheit zu beachten, nach der deutsche Aktionäre bei
Kapitalanlagen in einem Drittstaat (USA) nicht schlechter gestellt werden
dürfen als bei einer Kapitalanlage in der EU bzw. im EWR. Wichtig ist aber,
dass die Abspaltung im Drittstaat mit einer Abspaltung nach deutschem Recht
vergleichbar ist.
Verkauft der Kläger die ihm zugewiesenen Aktien an der F, ist der
Veräußerungsgewinn steuerpflichtig. Dabei
werden die Anschaffungskosten, die der Kläger für die K-Aktien aufgewendet
hatte, anteilig übernommen. Den Aufteilungsmaßstab hat der BFH auch in dem
aktuellen Urteil offengelassen, weil ein Verkauf im Streitjahr noch nicht
erfolgt war.
BFH, Urteil v. 19.10.2021 – VIII R 7/20; NWB