Grunderwerbsteuer: Finanzamt darf Bescheid nicht ändern und Zeitpunkt
des grunderwerbsteuerbaren Tatbestands austauschen23. December 2020
Stellt das Finanzamt durch Bescheid einen grunderwerbsteuerbaren
Vorgang auf einen bestimmten Zeitpunkt fest, darf es den Bescheid nicht
dahingehend ändern, dass es einen neuen Zeitpunkt feststellt. Hält es den
Zeitpunkt für falsch, muss es vielmehr den Bescheid aufheben und einen neuen
Bescheid erlassen; der Zeitpunkt ist nämlich wichtig für die Wertermittlung des
Grundstücks.
Hintergrund: Die
Grunderwerbsteuer entsteht bei der Übertragung von Grundstücken oder bei der
Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften. Liegt ein
betroffenes Grundstück außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des für die
Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamts, stellt dieses Finanzamt zunächst
gesondert fest, dass ein bestimmter Vorgang Grunderwerbsteuer ausgelöst hat,
wer als Steuerschuldner in Betracht kommt, um welche Grundstücke es geht und zu
welchem Zeitpunkt der Erwerbsvorgang geschehen ist. Anschließend ermittelt das
sog. Lagefinanzamt den Wert des Grundstücks.
Sachverhalt: Die Klägerin war
eine GmbH & Co. KG, an der die B-GmbH zu 1 % und die C-GmbH zu 99 % als
Kommanditisten beteiligt waren. Die Komplementär-GmbH war nicht am Vermögen der
GmbH & Co. KG beteiligt. An der C-GmbH war D bis zum 9.12.2003 zu 16 %
beteiligt, anschließend mit 40 %. Im November 2000 erwarb die Klägerin von der
C-GmbH ein Grundstück. Im Jahr 2007 fand eine Umstrukturierung statt, bei der
zunächst die C-GmbH einen Kommanditanteil an der Klägerin in Höhe von 6 % auf
D, ihren Kommanditisten, übertrug. Anschließend wurde die C-GmbH auf die F-GmbH
verschmolzen und die Verschmelzung am 20.4.2007 in das Handelsregister
eingetragen. Am 23.12.2008 wurde dann bei der KG u.a. der Eintritt des D als
Kommanditist in die Klägerin und das Ausscheiden der C-GmbH bei der Klägerin
eingetragen.
Das Finanzamt ging davon aus, dass am 23.12.2008 durch die
Verschmelzung der C-GmbH auf die F-GmbH und durch den Eintritt des D insgesamt
99 % der Anteile der Klägerin auf neue Gesellschafter übergegangen seien, und
stellte mit Bescheid vom 14.8.2009 einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang fest.
Im folgenden Klageverfahren änderte das Finanzamt diesen Bescheid am 12.12.2016
und ging nunmehr davon aus, dass am 20.4.2007 die Grunderwerbsteuer ausgelöst
worden sei.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:
-
Zwar könnte durch die am 20.4.2007 mit der Eintragung im
Handelsregister wirksam gewordene Verschmelzung Grunderwerbsteuer entstanden
sein. Es ist aber nicht klar, ob sich der Gesellschafterbestand der Klägerin
innerhalb von fünf Jahren zu mindestens 95 % geändert hat. -
Der Feststellungsbescheid ist aber in jedem Fall falsch, so
dass eine Zurückverweisung an das Finanzgericht nicht erforderlich ist. Denn im
ursprünglichen Bescheid vom 14.8.2009 ging das Finanzamt zu Unrecht davon aus,
dass die Verschmelzung der C-GmbH am 23.12.2008 erfolgt sei; tatsächlich ist
sie aber bereits am 20.4.2007 mit der Eintragung im Handelsregister wirksam
geworden. Am 23.12.2008 sind lediglich die Auswirkungen bei der Klägerin im
Handelsregister eingetragen worden. -
Das Finanzamt durfte diesen Bescheid nicht hinsichtlich des
Zeitpunkts ändern, indem es nunmehr den 20.4.2007 als Erwerbszeitpunkt ansetzt.
Denn wenn der festgestellte Zeitpunkt nicht richtig ist, muss das Finanzamt den
Bescheid aufheben und kann anschließend allenfalls einen neuen Bescheid
erlassen. Der Zeitpunkt hat nämlich Bedeutung für den Wert des Grundbesitzes.
Hinweise: Im Streitfall ging es
um einen Feststellungsbescheid, mit dem das Finanzamt zunächst nur die
Steuerbarkeit eines bestimmten Erwerbsvorgangs feststellt, damit anschließend
das sog. Lagefinanzamt, in dessen Zuständigkeitsbezirk sich das betroffene
Grundstück befindet, die Wertermittlung durchführen kann. Aber auch bei einem
klassischen Grunderwerbsteuerbescheid darf das Finanzamt, wenn es einen anderen
Erwerbsvorgang als den im Steuerbescheid genannten Erwerbsvorgang besteuern
will, nicht einfach den anderen Erwerbsvorgang zugrunde legen und den Bescheid
ändern, sondern es muss den Grunderwerbsteuerbescheid ändern und kann ggf.
einen neuen Bescheid erlassen.
Für den Steuerpflichtigen hat dies zum einen den Vorteil, dass er
das Verfahren gegen den ursprünglichen Bescheid gewonnen hat und ihm auch
etwaige Kosten erstattet werden können; zum anderen kann das Finanzamt einen
neuen Bescheid nur erlassen, wenn die Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Schließlich kann der Wert des Grundstücks bei dem nun geänderten Zeitpunkt
niedriger ausfallen.
BFH, Urteil vom 17.6.2020 – II R 18/17; NWB