Folgen der Verwendung einer nicht manipulationsgeschützten Registrierkasse15. May 2024
Verwendet der Unternehmer im Rahmen
seiner Kassenführung ein älteres Kassensystem, das objektiv nicht gegen
Manipulationen geschützt ist, so ist dies ein schwerwiegender formeller
Buchführungsmangel, da keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der
Einnahmenaufzeichnungen gegeben ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht zwingend
eine Vollschätzung, wenn es sich um einen gängigen
Registrierkassentyp handelt und eine
tatsächliche Manipulation unwahrscheinlich
ist.
Hintergrund: Eine
Buchführung, auch Kassenführung, darf nicht manipuliert werden. Um
Manipulationen an elektronischen Registrierkassen und PC-Kassen zu verhindern,
gibt es seit dem 1.1.2020 die Pflicht, eine sog. zertifizierte technische
Sicherheitseinrichtung, die in der elektronischen Registrierkasse verbaut wird,
zu verwenden.
Sachverhalt: Der Kläger
betrieb ein Restaurant und ermittelte seinen Gewinn durch
Einnahmen-Überschussrechnung. Den größeren Teil seiner Umsätze in den
Streitjahren 2011 bis 2014 erzielte er durch Außer-Haus-Lieferungen. Seit 1999
nutzte er eine elektronische Registrierkasse einfacher Bauart (Modell SKS TS
400), die von 1987 bis 2002 vertrieben wurde und in Deutschland sehr gängig
war. Die in den Jahren 1987 und 1988 entwickelte Kassensoftware war in den
Streitjahren 2011 bis 2014 nicht mehr manipulationssicher. Anhaltspunkte für
eine Manipulation durch den Kläger gab es allerdings nicht. Wegen der
Manipulierbarkeit der Kasse verwarf das Finanzamt die Aufzeichnungen des
Klägers und ermittelte den Gewinn durch eine vollständige Schätzung.
Entscheidung: Der BFH hat
der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und die Sache zur weiteren
Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen:
-
Die Verwendung einer nicht
manipulationsgeschützten Registrierkasse ist ein schwerwiegender formeller
Buchführungsmangel; denn es ist keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der
Einnahmenaufzeichnungen gegeben. -
Aus diesem schwerwiegenden
formellen Mangel folgt aber nicht zwingend die Berechtigung zu einer
Vollschätzung durch das Finanzamt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie der
Vertrauensschutz können dazu führen, dass der formelle Buchführungsmangel auf
ein geringeres Maß zu reduzieren ist. -
So ist zugunsten des Klägers
der Vertrauensschutz zu berücksichtigen. Bis
zum 31.12.2016 hat die Finanzverwaltung derartige Kassensysteme akzeptiert. Der
Gesetzgeber hat die Pflicht, elektronische Registrierkassen und PC-Kassen mit
einer sog. zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung auszustatten, erst
zum 1.1.2020 eingeführt. In den Streitjahren 2011 bis 2014 durfte das vom
Kläger verwendete Kassensystem aus Sicht der Finanzverwaltung also durchaus
noch verwendet werden. -
Der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz spricht
ebenfalls für den Kläger. Das Modell SKS TS 400 war ein weit verbreitetes
Modell, dessen Manipulierbarkeit vorrangig nur dem Kassenhersteller und den
Kassenhändlern bekannt war und sich erst Jahre nach dem Vertriebszeitraum
herausgestellt hat. Es sprach daher eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit
gegen eine konkrete Manipulation. -
Hinzu kommt, dass der Kläger
weitere Aufzeichnungen geführt hat, aus denen sich die vollständige Erfassung
seiner Einnahmen ergibt. So hat er etwa täglich den – nicht
manipulierbaren – Gesamtspeicher („Grand Total“) auf den
Tagesendsummenbons ausgedruckt. Ferner konnte der Kläger für alle Öffnungstage
seines Restaurants fortlaufend nummerierte Tagesendsummenbons vorlegen.
Hinweise: Das FG muss nun
im zweiten Rechtsgang die von ihm festgestellten formellen und materiellen
Fehler gewichten.
Der BFH konnte sich bei seiner
technischen Einschätzung zu der verwendeten Kasse auf ein Gutachten eines
Softwareentwicklers stützen, das im FG-Verfahren eingeholt worden war.
Das Urteil ist eine
Grundsatzentscheidung, die für viele Unternehmer nachteilig ist. Denn der BFH
bejaht in einem ersten Schritt einen schwerwiegenden formellen
Buchführungsfehler, wenn der Unternehmer eine Kasse verwendet, die objektiv
manipulierbar war bzw. irgendwann einmal manipulierbar wird. Der schwerwiegende
formelle Buchführungsfehler besteht auch bei Unkenntnis des Unternehmers über
die Manipulierbarkeit. Zwar schwächt der BFH die Bedeutung des
Buchführungsfehlers in einem zweiten Schritt ab; das Risiko liegt nun aber beim
Unternehmer, der z.B. prüfen muss, ob es sich um einen weit verbreiteten
Kassentyp handelte, oder ob er zusätzliche Aufzeichnungen vorlegen muss, zu
denen er gesetzlich gar nicht verpflichtet war.
Der BFH hat sich in dem Urteil auch
noch zu Programmierprotokollen geäußert. Danach sind Veränderungen an den
Einstellungen der Kasse durch Programmierprotokolle zu dokumentieren. Soweit es
jedoch um die sog. Firmware der Kasse geht, also um die fest installierte
Software, genügt grundsätzlich die Vorlage der Bedienungsanleitung. Allerdings
sind Updates der Firmware zu protokollieren.
Quelle: BFH, Urteil vom 28.11.2023
– X R 3/22; NWB